Das wir zu unserer Green Card wie die Jungfrau zum Kind gekommen sind und wir diesbezüglich mehr Glück als Verstand hatten haben wir ja in den Start-Stories beschrieben. Allerdings reicht die ganze Geschichte ja eigentlich viel, viel weiter zurück. Die ganze „Spinnerei“ fing eigentlich schon in unsere beider Kindheit bzw. Jugend an, völlig unabhängig voneinander, und aus völlig unterschiedlichen Beweggründen…
Andrea
Cowboys & Indianer…
Bei mir fing das ganze quasi schon zu Kindergarten-Zeiten an: unter Vati’s Einfluss (Musiker mit Hang zu Western Musik, Interesse für die in den 1970ern beliebten Western-Filme und -Serien, ein paar Gewehr- und Revolver-Replika an der Wand) und mit den Kindergarten-Freunden beim „Cowboy und Indianer“ spielen.
In Opa’s Garten im Sandkasten spielten wir mit Plastik-Figuren die Western-Filme nach, zum Fasching ging es als Cowboy verkleidet, oder wir haben einfach aus Decken Zelte gebaut und diverse Sachen „umfunktioniert“. An Weihnachten gab es die Klassiker „Winnetou 1, 2 & 3“ im Fernsehen und Gojko Mitic war ein Held. Und von Opa mütterlicherseits gab es die Lust zum Reisen und die Welt zu sehen in die Wiege gelegt. Leider sollten die Träume von den Filmkulissen und Landschaften aber noch lange unerreichbar sein, da ja zu DDR-Zeiten eine Reise in die USA a) politisch unmöglich und b) unerschwinglich war.
… ein unvergesslicher Trip…
Die Kinder- und Schuljahre vergingen, und 1995 – inzwischen Anfang 20 und mitten im Studium (weil: wann hat man sonst 8 Wochen am Stück frei) und nach einer kleinen Erbschaft – wollte Fräulein Kühne nun die inzwischen etablierte Reisefreiheit mit einem Trip durch das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ ausnutzen und die „unendlichen Weiten“ live sehen. Also: Konto geplündert, Trip und Flüge gebucht und ab in ein spannendes Abenteuer. Im Rahmen eines Treck-Programms ging die Reise von New York (Ostküste) über die nördlichen Staaten bis nach San Francisco (Westküste), und dann über die südlichen Staaten wieder zurück. 6 Wochen phantastische Landschaften, tolle Städte, Menschen, Tiere, kulturelle Einblicke, danach noch 2 Wochen bei Freunden der Familie im „real american life“ – das alles hinterließ einen prägenden und bleibenden Eindruck, und den Wunsch nach „Vielleicht Irgendwann…“
(Mehr über den Trip in einem späteren Beitrag)
… und das fehlende „Zu-Hause“-Gefühl
Das Leben nach dem Studium war wie bei allen anderen geprägt von vielen Veränderungen mit Höhen und Tiefen. Die Jahre zogen dahin, „das Leben kam dazwischen“ mit mehr oder weniger befriedigenden Jobs, diversen Umzügen von Thüringen nach Sachsen-Anhalt, weiter nach Sachsen wieder nach Thüringen, Leben in der Stadt, auf dem Dorf, an der Großstadt, wieder in ’ner Kleinstadt… Aber irgendwie fühlte sich alles nicht wirklich wie „zu Hause“ – oder besser gesagt: nicht wirklich „richtig“ – an. Mit Matthias war allerdings ein „Spinner“ gefunden, der für allen Blödsinn zu haben war – besonders auch für spontane Reisen und Ausflüge – und so kam irgendwann, auf einem Italien-Tripp ca. 2008 das erste Mal wieder der Gedanke auf: Vielleicht sollten wir es mal woanders probieren (Damalige Zielregion war übrigens Nord-Italien). Irgendwie im Laufe der Zeit ist diese Idee dann aufgrund diverser Umstände im Sande verlaufen und wir versuchten bald eine andere Gegend in Deutschland (mit ebenso wenig Erfolg).
Die „Bewerbung“ bei der GreenCard-Lotterie aus eine Whiskey-Laune heraus im Herbst 2017 haben wir ja bereits beschrieben, und ich hatte dies Anfangs eigentlich nicht wirklich ernst genommen. Auch die „Aktivierungsreise“ an Ostern 2019 war… naja, wir waren eben in New York.
Erst im Sommer 2019, auf unserem langen Roadtrip, irgendwo im tiefsten Arizona, war plötzlich dieser „Funke“ da – dieses „Hier gehöre ich her“-Gefühl. Mein „Start-Trip“ im Herbst 2019 nach Austin war ein Gefühl des „Nach Hause kommens“, auch wenn wir hier weder eine Wohnung noch sonstige Perspektive hatten. Inzwischen, nach nun 2,5 Jahren in Texas, kann ich für mich immer noch sagen: Yes, that’s my Country!
Matthias
„In Deutschland werd ich nicht begraben!“
Auch ich habe mich zu Fasching gern mal als Cowboy oder Indianer verkleidet, aber dies hatte auf die spätere Sehnsucht nach dem Auswandern eher keinen Einfluss. Schließlich war ich in jungen Jahren eher im Bereich „Mittelalter“ unterwegs (was nun nichts im Ansatz mit Amerika zu tun hatte). Vielmehr waren da die ersten Reisen ins Ausland nach der Wende, und die vielen tollen Eindrücke beim Kennenlernen fremder Kulturen. Aber ein Auslandssemester während der Schul- bzw. Studienzeit wäre nicht möglich gewesen, und USA schon gar nicht.
Als ich 1995/96 bei der Bundeswehr war, hatte ich mal zu meiner Mutter gesagt, dass ich nicht in Deutschland begraben sein werde, sondern irgendwann ins Ausland gehe. Naja, Ernst genommen hatte sie das damals wohl nicht (okay, ich auch nicht)….
Als ich im Frühjahr 2004 mein Studium abgeschlossen hatte (und wie es sich für frisch gebackene Akademiker gehört auch keinen Job fand) haben wir auf einem Messestand eine Informations-CD zum Thema „Leben und Arbeiten in den USA“ bekommen. Das war für uns natürlich unerreichbar, da wir weder berufliche Erfahrungen noch finanzielle Rücklagen hatten. Aber kurzzeitig kam der Gedanke an einen temporären Auslandaufenthalt schon auf.
Hauptsache Arbeit
Aber diese Gedanken wurden schnell verworfen und wir fügten uns unserem Schicksal als Geringstverdiener (mit Aufstockung vom Sozialamt) Tätigkeiten nachzugehen, für die andere Leute gut bezahlt wurden. Aber es war alles besser als zu Hause zu sitzen.
Als dann 2005 Celina zur Welt kam, war eh an ein Leben im Ausland nicht mehr zu denken, schließlich sollte dem Kindlein ja die gute deutsche Erziehung und das hervorragende Bildungssystem zu Gute kommen. Nun gut, ca. 2008 hatten wir (wie oben schon erwähnt) zeitweilig über einen Versuch in Österreich oder Norditalien nachgedacht, aber irgendwie ging das Thema relativ schnell wieder im Alltag „unter“.
So ging die Zeit ins Land und wir zogen mehrfach um, bekamen irgendwann doch mal vernünftige Jobs, kauften 2011 das Beratungsunternehmen (für welches ich schon einige Jahre arbeitete) und lebten quasi ein normales bürgerliches Leben. Und wir reisten viel durch Europa!
…Höhen und Tiefen…
Aber wie es nun mal so ist gibt es nicht nur gute Zeiten, sondern meistens folgen auf Hochs eben Tiefs. Und so eben auch bei uns. Mit dem gekauften Unternehmen gab es Schwierigkeiten und ich habe mich auf einen Business-Angel (dachte ich) eingelassen. Und das ging dann auch mit Vollgas in die Hose. Aber dazu mehr in einem anderen Blog!
Auf jeden Fall wurde dadurch auch mein Glaube und das Vertrauen in das deutsche Rechtssystem nicht unbedingt gestärkt und es manifestierte sich regelrecht der Wille ein neues Leben an einem neuen Ort (der möglichst weit weg ist) mit anderen Möglichkeiten für unsere Tochter aufzubauen. So kam es dann 2017 zur Bewerbung bei der GreenCard-Lottery. Und wie es dann weiter ging, darüber haben wir ja nun schon einiges in anderen Beiträgen geschrieben.
Celina
Amerika? Was ist das?
Wurde ich gefragt? Ja. Hatte ich jemals eine Wahl? Nö!
Eine Sehnsucht danach auszuwandern hatte ich nicht, denn ich wusste nicht mal was das bedeutet.
OK, „umziehen“ und „zurücklassen“ musste ich schon ein paar mal. Na gut, dann eben jetzt nach … ach, keine Ahnung: irgendwo nach Amerika eben
(und ich hatte nicht im Geringsten eine Idee, was auf mich zu kam).
Von unseren ersten Umzügen habe ich nicht wirklich viel mitbekommen, denn da war ich noch viel zu klein. Als wir dann aber 2013 von Markkleeberg nach Gera gezogen sind (ich war grad dritte Klasse), war es schon traurig, dass ich meine Freunde nicht mehr sehen konnte und meine Schule habe ich am Anfang auch vermisst. Aber in Gera habe ich neue Freunde gefunden und es war okay. Als wir dann 2014 schon wieder umgezogen sind, jetzt nach Weida, habe ich dort nicht wirklich mehr Anschluss gefunden und hatte dort nur wenige Freunde. In der Schule hat man mich gemobbt und notenmäßig lief es irgendwie auch nicht so toll. Irgendwann 2018 eröffneten mir Mama und Papa dann, dass wir in die USA auswandern würden. Boahhhh schon wieder umziehen, und dann auch noch in eine ganz andere „Welt“. Wir haben viel geredet und dann auch die USA besucht. Ich fand es schön da und so langsam stieg bei mir die Hoffnung, dass ich dort vielleicht neue Freunde finde. Klar hatte ich am Anfang Angst, aber heute bin ich froh hier in Austin zu sein.
Und inzwischen mache ich mich auch ganz gut als Western Girl 🙂