Mitte November steht nun die erneute Trennung der Familie an. Matthias fliegt zurück nach Deutschland (seine Begeisterung war im Übrigen grenzenlos) um die restlichen Sachen zu versilbern, zu verschenken oder bei Verwandten unterzubringen. Celina und Andrea bleiben in der neuen Heimat um sich hier einzurichten, mit der Schule zu starten und sich um weitere organisatorische Sachen zu kümmern. Es ist nicht einfach auseinander zu gehen ohne genau zu wissen, wann man sich wiedersieht. Ursprünglich war die Überlegung, dass wir alle nochmal nach Deutschland fliegen und gemeinsam dann in Austin neu starten. Aber insbesondere vor dem Hintergrund, dass Celina dadurch noch mehr Zeit für den Schulstart verlieren würde, hatten wir diese Pläne schnell verworfen. Aber Flugtickets hatten wir für uns alle.
Der Tag der Abreise kam und wir fuhren gemeinsam zum Flughafen. Einchecken, die beiden total leeren Koffer aufgegeben (die Mitarbeiterin hat sich nur gewundert, warum die Koffer zusammen lediglich 5kg wogen) und noch einige Minuten gemeinsam vor dem Security-Schalter verbracht … dann tapfer verabschieden (Stärke zeigen / Heulen ist was für Weicheier [wobei wir unsere Frühstückseier sehr gern weich essen]) und damit lagen erneut weitere Wochen der Trennung vor uns.
Matthias in Deutschland
Nach 1 Stunde am Flughafen folgte der Check in zum Flugzeug und es folgte eine 9 stündige Reise nach Frankfurt mit anschließender Zugfahrt nach Erfurt. Hier wurde er von einer Bekannten abgeholt und nach Weida gefahren. Angekommen im Haus gab es nur noch eine, neee zwei, neee drei Sachen zu tun … zuerst Familie anrufen, dann noch eine Hopfenkaltschale trinken und dann schlafen, denn am nächsten Morgen ging es mit Jetlag von 7 Stunden Zeitverschiebung wieder auf Arbeit. In den folgenden Tagen entwickelten wir das Ritual, welches aus einem morgendlichen Telefonat (um 3 Uhr MEZ früh) bestand um uns gegenseitig über die aktuellen Vorkommnisse zu informieren (ohne massenhaft Kaffee wäre das wahrscheinlich nicht durchzuhalten gewesen). Anschließend fuhr Matthias auf seine Arbeit und nach Feierabend wurde verkauft, sortiert und weggeschmissen. An den Wochenenden ging es dann mit einem vollgepackten Auto mit den Sachen, die wir noch benötigen könnten aber nicht mit in die USA nehmen können, zu den Eltern bzw Schwiegereltern um sie dort einzulagern. Es ist schon unglaublich wie viel Zeug sich im Laufe der letzten 20 Jahre so angesammelt hat und vor allem wie viele Sachen sich seit Jahren nicht bewegt hatten.
Und es nahm einfach kein Ende. Besonders überraschend war die Feststellung, dass entgegen der Behauptung unserer Tochter, dass sie keine Socken besäße in Summe drei Waschmaschinenladungen voll nur mit Selbigen gefüllt durch die Entrümpelung zu Tage gefördert wurden (wozu ich die auch immer gewaschen habe, da sie anschließend eh in die thermische Verwertung weiterbefördert wurden). Irgendwann hat man nur noch sortiert und eingepackt, ohne zu wissen was man da sortiert und einpackt. Nach 3 Wochen lief alles nur noch automatisch und man war nicht zuletzt wegen des Schlafmangels teilweise wie in einem Film unterwegs.
Die Nahungsaufnahme zeigte sich während dieser Wochen allein in Deutschland ziemlich einseitig. Vorwiegend gab es Pizza, außer an den Wochenenden. Da wurde vom Feinsten gekocht, also nicht von Matthias sondern von den Eltern. An dieser Stelle nochmals vielen Dank für die Unterstützung und Hilfe.
Aber dennoch, wenn man sich mal überlegt was wir alles so hatten (unter anderem 2 Autos, 3 Motorräder, ein Wohnmobil, ein Haus, unzählige Bücher und so weiter) sind wir schon froh, dass wir weitestgehend alles losgeworden sind. Und aus heutiger Sicht vermissen wir fast nichts! Das Einzige, was Matthias nicht mehr losgeworden ist, waren seine langen Haare, da es unmöglich war einen Friseurtermin zu bekommen. Die durften also zwangsläufig mitkommen.
17. Dezember 2019 … der letzte Tag, denn am 18. Dezember ging der Flug nach Austin zur Familie.
Aufstehen war, wie mittlerweile gewohnt, um 2.30 Uhr, von 3.00 Uhr bis 4.00 Uhr dann das obligatorische Telefonat und anschließend auf Arbeit. Hier hieß es den Arbeitsplatz aufräumen, von den liebgewonnenen Kollegen verabschieden und abklären wie das Arbeitsverhältnis zukünftig realisiert wird. Anschließend fuhr ein Bekannter mit Matthias zu seinem Autoschrauber des Vertrauens um dort seinen Lexus in Kommission zu geben. Nochmal kurz zum Haus, die letzten Sachen geschnappt, Haustürschlüssel in den Briefkasten für die neuen Eigentümer und dann auf nach Erfurt zum Bahnhof. Das letzte persönliche Ade zu einem deutschen Bekannten und dann mit dem Zug nach Frankfurt zum Flughafen. Ankunft war um 24.00 Uhr, dass hieß noch 10. Stunden auf dem Flughafen verbringen. Und es war nichts los dort, kaum Menschen und kein Geschäft offen. Schlafen ging nicht, denn man konnte nicht mal sein Gepäck aufgeben. Also wach bleiben und durchhalten. Gegen 6.00 Uhr kam dann langsam Leben auf und man konnte Kaffee kaufen und das Gepäck aufgeben. 8.00 Uhr Sicherheitscheck und dann nochmal 2 Stunden warten. Dann endlich ins Flugzeug und nach 9 Stunden Flug war man endlich wieder in der Wärme. Nun noch Gepäck holen und Immigration. Und da waren sie … Celina und Andrea… (natürlich schick im Texas-Look) Endlich zu Hause, aber völlig k.o.. Dennoch musste ein kurzer Ausflug zum Oasis und eine kleine Fahrt durch die weihnachtlich geschmückte Nachbarschaft sein. Aber dann war Feierabend … umfallen … Bett!
Celina und Andrea in Texas
Auch wenn der Abschied nicht leicht war, so musste es dennoch jetzt mit vollem Elan an die Herausforderungen gehen.
Punkt 1 – Kind in der neuen Schule anmelden
Punkt 2 – die noch recht übersichtlich bestückte Wohnung einrichten
Punkt 3 – klären, was alles sonst noch zu erledigen wäre
Punkt 4 – das gerade erst erworbene Gefährt auf den Ölverlust kontrollieren lassen
Punkt 5 – das herbstliche Wetter genießen (Sonne satt und 25°C im November)
Punkt 1 – Regelschule Weida vs. S.F.Austing Highschool
Da wir uns kurzfristig doch nicht für die ursprünglich geplante International Highschool entschieden haben hieß es nun: Celina wird ein Maroon in der AHS = S.F. Austin Highschool! Das hieß für sie von der kleinen 290 Schüler fassenden Regelschule im provinziellen Weida auf die 2.900 Schüler betreuende Schule mitten in Downtown der Hauptstadt von Texas! Englische Sprache… naja, eher mäßig… aber das wird schon!
Erst einmal extrem viel Papierkram für die Anmeldung. Und, in welche Academy soll sie gehen? Keine Ahnung, was meinen die mit Academy? Die nette Dame erklärte uns dann, die Schule ist in vier Academies geteilt… „as in Harry Potter“. Wir haben uns für die AGS – Academy for global Studies – entschieden, für Themen wie Weltkultur, Umwelt, Sprachen und internationale/ interkulturelle Themen und Beziehungen. Die anderen haben wir nicht recht verstanden, aber „Global“ klang sehr gut und passend. An dieser Stelle auch ein dickes Danke an Katja v. R., die hier sehr hilfreich zur Seite gestanden hat.
Und dann hieß es: Augen zu, und durch! Und mit dem Yellow Dog (dem typischen gelben US-Schulbus) auf zu neuen Abenteuern, wie ja in so vielen Teenager-Filmen gezeigt…
Seitens der Schule wurde Celina sehr viel Hilfe zur Eingewöhnung zuteil. Die Schüler boten Hilfe an, Lehrer halfen bei der sprachlichen Integration… und schon nach ein paar Tagen hatten wir eine stolze Highschool-Studentin, die dann auch super Noten brachte! Was will man mehr! AHS Maroons – loyal forever!
(zum Thema Schule wird es demnächst auch einen separaten Beitrag geben)
Punkt 2 – Die Wohnung
Nun hatten wir ein nettes 3 Zimmer-Appartement, und die ersten Möbelstücke waren ein Fernseher (natürlich fürs Kind!), zwei Luftbetten und ein Couchtisch, ohne Couch… Da man hier ja begehbare Einbauschränke, eine komplette Einbauküche wie auch Badmöbel hat fiel das Thema also weg und ersparte Lauferei und Kosten.
Also auf zum Lieblings-Möbelgeschäft überhaupt… auf zu…? Naaa? Klar, IKEA! (Ja, das freundliche gelb-blaue Einrichtungshaus ist hier auch sehr beliebt und ließ mit uns wenigstens etwas europäischen Style in unsere Behausung einziehen). Hier wurden dann erst mal die für die Schule notwendigen Möbelstücke besorgt, Esstisch und Stühle über Online-Portale organisiert, eine Couch bestellt und diverser dekorativer (ja … auch sinnfreier) Kleinkrams angeschafft…
Nach ca. zwei/drei Wochen hatte sich dann auch eine gewisse Wohnlichkeit eingestellt, wobei anfangs das Ferienwohnungs-Feeling immer noch überwog.
Punkt 3 – Was noch?
Zunächst mal versuchen den texanischen Führerschein zu bekommen. Das ist ja hier quasi dein Ausweis und damit wichtig zu besitzen. An dieser Stelle nochmal ein dickes DANKE an Christiane B., die mehrfach mit mir beim DPS gehockt hat, um dann erfolglos wieder abzutrotten, weil man ja erst 90 Tage im Land sein muss um selbigen zu bekommen.
Jobsuche musste auch organisiert werden. Also mache man aus dem klassischen deutschen Lebenslauf ein amerikanisches „Resume“ – Übersetzen, anderer Aufbau, andere Herangehensweise als in Deutschland um einen Job zu finden. Aber das wird schon…
Punkt 4 – Das Öl-Leck
Nach ein paar Tagen mit unserem frisch erworbenen Gebrauchtfahrzeug stellten wir erste vermeintliche Mängel fest. Die Karre springt nicht richtig an (also so wie wir das kennen) und drunter sind immer kleine Ölflecken! Also, wieder ab zum Händler und checken lassen. Ok, neue Batterie eingebaut… „der Ölverlust ist nicht dramatisch“ sagen die Herren.
Aber als umweltbewusste Deutsche nehmen wir das natürlich nicht hin und suchen eine freie Werkstatt. Hier wird dann geprüft und getestet, diverse Flüssigkeiten getauscht, irgendwelche Farbstoffe in den Motor gekippt, fleißig Arbeitsaufwand abgerechnet und… natürlich nichts gefunden!
Inzwischen haben wir- auch Dank unserer jetzigen ägyptischen und palästinensischen Autoschrauber- gelernt, das man sich wegen solcher Kleinigkeiten hier in Texas keine Gedanken macht… es tropft also immer noch!
Punkt 5 – Land und Wetter genießen
Auch wenn es viel zu Erledigen gab, so durften Ausflüge dennoch nicht fehlen. So ging es unter anderem in den Maifield-Park mit Ausflug zum Mt. Bonell und zum Lake Travis, zu einem Wolfsreservat und natürlich in die Shopping Malls. Wir hatten ja schließlich nur jeder zwei Koffer mitnehmen können und mussten uns erstmal „amerikanisch“ ausstatten.
Das hiesige November-Wetter mit kuscheligen 25°C und das spanisch-italienische Flair des Hill County – oder wie man es hier nennt der Texanischen Toskana, mit Unmengen Weingütern – sorgten dafür, dass der Alltag eher einem Dauerurlaub glich und wir jede freie Minute draußen verbrachten. Und man musste sich halt daran gewöhnen beim Verlassen der Wohnung nicht den Regenschirm, sondern die Sonnenbrille als wichtigstes Accessoire dabei zu haben.
Ach ja…
und dann musste so ganz spontan und kurz vor Weihnachten für das berufliche Fortkommen auch noch fix eine Firma gegründet werden, da eine Anstellung in Deutschland ohne deutschen Wohnsitz und wegen der steuerlichen Umstände ja nicht möglich war. Aber wie geht man da vor? Gewerbeamt? Finanzamt? Steuerberater? Rechtsbeistand? Welche Gesellschaftsform?…
Das waren natürlich alles Themen, mit denen sich ja niemand von uns vorher befasst hatte, weil… ja, weil…? Aber da man ja hier in Amerika nichts selbst macht und für alles einen Agenten oder eine sich bemühende Beratung hat, gingen wir auch den teureren, aber sicher einfachsten Weg über ein Assistenz-Büro. Und somit konnten noch vor Ankunft des zukünftigen Business-Inhabers die im roten Ordner-Paket sehr schick gebundenen und mit eigenem Prägestempel versehenen Gründungsunterlagen der zukünftigen „afm Matthias W. Kuehne Consulting LLC“ in Empfang genommen werden. Unsere nunmehr indische Steuerberaterin Rhunjet freut sich seit dem jedes Quartal über unseren Besuch.
Und somit war es den Damen also auch nicht langweilig in der neuen Heimat.