Nun ja, JEDER Texaner hat ja mindestens eine Pistole (oder besser noch ein Gewehr und eine Panzerfaust). So ist zumindest die Sichtweise der meisten unserer deutschsprachigen Bekannten.
Vorweg eine Anmerkung zur Waffenthematik …
Es gibt durchaus gute Gründe hier ein entsprechendes Equipment sein Eigen zu nennen. Und damit meinen wir keinesfalls die Bedrohung oder gar Verletzung von Menschen, sondern vielmehr die Schutzoption vor diversen Tieren, die man in Europa bestenfalls im Zoo sieht. So manch einen animalischen Mitbewohner möchten wir nicht mit einem Brotmesser vertreiben müssen und Zunge ausstrecken wird nur eingeschränkte Wirkungen erzielen.
Von daher haben wir uns zu folgendem entschlossen:
- Wir kommen dem waffenbesitzenden Klischee verantwortungsbewusst nach.
- Wir werden die theoretische und praktische Prüfung für die Licence to carry a handgun (LTC) ablegen.
- Wir werden unsere Brotmesser nicht gegen wilde Tiere einsetzen.
UND
- Wir werden uns vor unserem ersten Campingausflug entsprechend ausstatten.
So, es darf jetzt gelästert und kritisiert werden, aber da wir unsere Berichte in aller Regel im Nachgang der Erlebnisse verfassen, ist es jetzt eh zu spät…
An einem Sonntagmorgen (als die Mädels noch geschlafen haben) suchte ich im Internet nach den Bedingungen zum Erwerb einer handlichen Schusswaffe aus oben aufgeführten Gründen. Das häufig bestehende Vorurteil, man könne einfach so in einem Discounter ein solches Gerät käuflich erwerben, muss an dieser Stelle mal etwas relativiert werden. Ganz so einfach ist es nicht, denn auch hier wird man einer gründlichen Background – Prüfung unterzogen.
Nachdem ich nur herausgefunden hatte welche Bedingungen man erfüllen muss und was die allgemeinen Anforderungen für den Besitz bzw. das Tragen von Handfeuerwaffen sind, entschloss ich mich zunächst der theoretischen Ausbildung nachzukommen. Also Kurs gebucht, 4,5 Stunden Theorie gebüffelt und dann Prüfung absolviert… fertig! Aber wie mache ich das nun mit der Praxis? Wieder Internetrecherche … Da, ein Anbieter in Austin. Prima – passt. Zwischenzeitlich hat Andrea auch Interesse an der Thematik gefunden (besonders an dem Teil mit den Klischees bedienen). Jetzt fix ebenfalls die Theorie absolviert und dann am kommenden Sonntag praktische Prüfung.
Der Sonntag kam und wir begaben uns auf die Suche nach dem Ausbildungsplatz. Und Suche ist hierbei wörtlich zu nehmen. Wir hatten zwar eine Adresse, aber da war nichts. Nur eine geöffnete Schranke mit einem unübersichtlichen Weg, der vorbei an Longhorn-Rindern ins Nirwana führte. Langsam tasteten wir uns mit unserem kleinen Geländewagen vorwärts. Die Vegetation rechts und links des Weges wurde immer dichter, aber dafür wurden die Schlaglöcher auf dem Weg tiefer und zahlreicher. An einer Weggabelung angekommen (die selbstverständlich nicht beschildert war, standen wir nun vor der Wahl … rechts ins Nichts oder links ins Nichts, oder umdrehen. Okay, nach rechts! Plötzlich standen wir vor einem verlassenen Haus, dass nicht den Eindruck einer Ausbildungsstelle hatte. Also zurück und den linken Abzweig nehmen. Holter die Polter ging es noch eine gewisse Weile weiter bis der Weg steil abfallend tatsächlich einige Schießbahnen erahnen lies. Juhu hier gibt es ja doch etwas anderes als Kühe und Büsche. Jetzt nur noch den Ausbilder finden. Der gute Mann wartete schon seit einer viertel Stunde auf uns, war aber super drauf und bestens gelaunt.
Ladys first … nicht nur aus Höflichkeit, sondern auch um zu sehen was da jetzt passieren soll. Und außerdem brauchen Männer ja kein Training, weshalb wir ausschließlich für Andrea eine Übungsstunde gebucht haben.
Erst eine allgemeine Einweisung in den Umgang mit Waffen, dann die Erklärung der Pistole und deren Handhabung. Und los geht’s. Erster Schuss … voll in die Mitte. Nicht schlecht (okay es war aus einer Entfernung von drei Meter, aber wir fangen eben klein an. Nächster Schuss … wieder die Mitte. Als zusehender Ehemann bekommt man spätestens jetzt Panik vor der Praxisprüfung. Ich blamiere mich doch, wenn ich nicht wenigstens annähernd an das Ergebnis rankomme.
Die Distanz wird erhöht und Andrea trifft weiter ständig die Mitte.

Nach etwa einer Stunde praktischem Training, einer in der Mitte völlig durchschossenen Holzwand und ersten Anzeichen von Sonnenbrand auf dem Rücken, steht die Prüfung für uns beide an. Wer will zuerst? Der Mann vielleicht? Nö, eigentlich nicht, aber mir fallen gerade nicht die passenden Worte auf Englisch ein und deutsch versteht der Gute nicht. Also dann doch der Mann als erstes.
Gut, was hat Andrea als erstes gemacht? Patronen ins Magazin, dass ist klar. Magazin in die Pistole, bekomme ich auch noch hin. Dann erstmal das Ding da hinten nach hinten schieben, ach ja jetzt ist die Knarre geladen. So jetzt auf die Kommandos vom Ausbilder warten.
Ready? (Eigentlich nicht, aber das sag ich Dir nicht …) Yes!
Fire! Bumm!
Mein erster Schuss mit einer Pistole nach 25 Jahre ging zumindest in die richtige Richtung. Das Spielchen machen wir jetzt noch 49 Mal aus verschiedenen Entfernungen und zählen dann die Trefferpunkte. Über 200 Punkte … Bestanden!
Und nun ist Andrea dran. Sie hat sich ja schon warm geschossen. Selber Ablauf … Insgesamt 50 Schuss auf Kommando aus verschiedenen Entfernungen.
Ready? Yes!
Fire! Bumm!
Wieder die Mitte! Es ist ja wohl nicht zu fassen! Ich bin doch der, der hier richtig gut abschneiden muss, schließlich war ich doch bei der Armee und habe den Umgang mit so einem Ding gelernt! Ich verkrümel mich in den nahegelegenen Sitzbereich um mir das Drama nicht länger ansehen zu müssen.
Es folgen weitere 49 Bumms! Dann ist die Prüfung vorbei. Okay … Punkte zählen … Gleichstand! Das ist fair und ich bin nicht blamiert!
Nun noch die Registrierung und den Backgroundcheck machen. Und dann sind wir stolze, unbewaffnete Besitzer der LTC 101! Endlich noch eine Plastikkarte mehr für das Portmonee!