Für den einen oder anderen mag dieser Festtag zunächst befremdlich oder gar irritierend wirken, aber der Ansatz und Gedanke hinter diesem Event faszinierte uns schon im ersten Jahr nach unserer Ankunft hier in Texas. Dia de los Muertos – Ein Brauchtum aus Lateinamerika, den wir mittlerweile für uns als Bestandteil unserer eigenen Kühne-Kultur implementiert haben. Und nein, es ist nicht Halloween!
Das erste Mal sind wir durch den ESOL-Kurs (English for Speakers of Other Languages) von Celina in der 9. Klasse damit in Berührung gekommen. Da wurde dieser Feiertag im Unterricht behandelt, weil die überwiegende Anzahl der Kursteilnehmer mexikanische Wurzeln hatte und Maura (die Lehrerin) zudem mit einem Mexikaner verheiratet ist. In der 10. Klasse wurde dieser Feiertag beim Remote-Learning erneut Lehrbestandteil und Celina war abermals fasziniert von den Gebräuchen, den Figuren und Farben. Sie kreierte ein Bild, der einem kunstvoll gestalteten Totenschädel (Sugar skull) zeigte, was der Lerngemeinschaft als Gruppenbild diente. Es wurde eine gemeinsame Präsentation im Unterricht gestaltet und jeder Schüler sollte Fotos von Personen oder Tieren beisteuern, die er verloren hatte und vermisste. Das war schon erstmal befremdlich für uns. Aber seit diesem Moment sind wir fasziniert von diesem Event, gerade weil der Denkansatz für dieses Fest ein unglaublich positiver und schöner ist. Und mittlerweile haben wir auch schon viele Fotosessions zu diesem Thema realisiert.
Aber was verbirgt sich hinter diesem Fest?
Der Ursprung dieses eigentlich eher besinnlichen Fests findet sich wider Erwarten in den beiden christlichen Feiertagen Allerheiligen und Allerseelen. An diesen beiden Tagen wird in christlich geprägten Ländern weltweit der Verstorbenen gedacht. In Lateinamerika geht das Brauchtum zurück in die Zeit der Azteken, die nicht nur ein paar Tage, sondern einen ganzen Monat dem Tod widmeten. Vor allem in Mexiko wird die Tradition in vielen Gemeinden gepflegt und hat sich auch in Teilen der USA mittlerweile etabliert. Die Seelen der Familienmitglieder sollen an diesen Tagen aus dem Jenseits zu Besuch kommen. Es wird zelebriert wie ein Familientreffen, nur dass die toten Vorfahren die Ehrengäste sind. Es ist eine fröhliche Zeit, die den Menschen hilft, sich an die Verstorbenen zu erinnern und ihr Andenken zu feiern. „Dia de los Muertos“ ist nicht nur auf einen Tag beschränkt, sondern startet bereits Mitte Oktober mit den ersten Vorbereitungen und Ritualen. Vor allem die Straßen zu den Friedhöfen werden geschmückt, um den Ahnen den Weg zurück vom und ins Totenreich zu markieren. Hier wird das nicht ganz so ausgeprägt gestaltet wie in Mexiko, aber hier und da finden sich vereinzelte Schmuckelemente.
Eine besondere Bedeutung wird den „Ofrendas“ (reich geschmückten Toten-Altären mit Fotos der Verstorbenen) zuteil. Hier finden die Besucher aus dem Jenseits Essen, Getränke und weitere Gaben, die ihnen die Rückkehr in die Welt der Lebenden so angenehm wie möglich machen sollen. Es werden Kerzen in die Fenster gestellt, damit die Gäste den Weg zu ihrer Familie finden. Wir haben diese Rituale in etwas reduzierter Form nun auch für uns zu eigenem kulturellen Brauchtum erklärt. Nicht ganz so bunt, nicht ganz so spektakulär und ohne Party auf dem Friedhof … eher bescheiden, aber mit nicht weniger Respekt.
Gefeiert wird der Tag der Toten dann vom Vorabend des 31. Oktober bis zum 2. November. Zum Beispiel finden am 1. November Aufführungen und Festumzüge statt, so unter anderem auch bei uns in Austin im Waterloo Greenway Park. (link zur Veranstaltung 2023) Man isst, tanzt und feiert eben mit den Verstorben anlässlich deren jährlichen Besuches und bewahrt so das Andenken an die Vorfahren. Familien treffen sich zum Picknick auf dem Friedhof, auf dem Ihre Vorfahren begraben sind, die Feiernden bemalen ihre Gesichter oder tragen Totenkopfmasken, um eine verstorbene geliebte Person darzustellen, alles ist geschmückt mit den orangen „Flor de Muerto“ (in Europa bekannt als Marigold, Tagetes oder Studentenblume), „Papel Picados“ (bunte dekorativ geschnittenes Papier-Girlanden), „Calacas” (Skelet Figuren) und natürlich Kerzen. Nicht fehlen darf die „La Catrina“ – ein weibliches Skelett im Stil von 1900. Diese „Kunstfigur“ ist zu einer prominenten Figur in der Dekoration und den Feierlichkeiten zum Tag der Toten geworden.
Wenn fremde Kulturen, Sitten und Bräuche sich allmählich mit den bisherigen Gewohnheiten vermischen, dann entsteht da etwas Besonderes und ein sichtlicher Mehrwert im Erfahrungsschatz für denjenigen, der diese Vermischung zulässt. Aber auch für diejenigen, die dieses Vermischen nicht selbst miterleben können, es aber respektieren, kann es ein Stück weit zusätzliche Erfahrungsfreude (keine Ahnung ob es dieses Wort gibt) bringen.
Hier mal ein Link zur Website vom „The Grace“ Museum in Abilene, TX, über die Traditionen (bedauerlicherweise nur in English, aber mit vielen erklärenden Bildern und Videos): Dia de los Muertos: Symbols and Traditions