In den mehr als 20 Jahren, die wir zusammen in Deutschland gelebt haben, hat sich natürlich jede Menge Kram angesammelt, den wir bislang nicht hier hertransportieren konnten. Vieles davon ist sicherlich aus Sicht mancher Leute sinnloser Krempel, für uns sind es aber teilweise wichtige oder mit Erinnerungen behaftete Dinge. Deshalb und aus weiteren Gründen ist Andrea im Oktober nach Deutschland geflogen um auszusortieren, zu begutachten und teilweise wegzuschmeißen.
Wir haben bereits im Juli den Flug mit der lieben (und insbesondere teuren) Lufthansa gebucht um hauptsächlich notarielle Angelegenheiten in Deutschland klären zu können. Und wenn man (bzw. in diesem Fall besser gesagt Frau) schonmal da ist, dann bietet es sich auch an die zwischengelagerten Sachen gleich mit zu sortieren. Und davon ist noch eine ganze Menge vorhanden … mehr als wir es in Erinnerung hatten.
Und so startete Andrea am Freitag den 07. Oktober in Richtung Frankfurt um den (teils unangenehmen) Verpflichtungen nachzukommen.
In Frankfurt musste dann erstmal zwingend eine leckere Schnittlauchbrezel gekauft werden, was logischerweise dazu führte, dass sie den Zug verpasst hat. Aber glücklicherweise fuhren ja noch mehr Bahnen an diesem Tag. Und damit Celina und Matthias schön neidisch werden, wurde das auch umgehend per Foto dokumentiert und versendet…
Nach einer mehrstündigen Zugfahrt erreichte Andrea am Nachmittag die alte Heimatstadt Sangerhausen, wo sie von ihrer Mutter abgeholt wurde. Natürlich war die Wiedersehensfreude groß und es gab viel zu erzählen. Viel passierte an diesem Tag nicht mehr, denn die Anreise und die Zeitverschiebung sind schon etwas anstrengend.
Am Sonntag standen dann erstmal eher traurige Verpflichtungen auf dem Plan. Die Fahrt ging nach Nordhausen um das Grab der im August verstorbenen Oma Freye zu besuchen. Matthias wäre auch gern mitgekommen, aber einerseits musste sich jemand um Celina kümmern und andererseits ließen die Flugpreise und der Wechselkurs keine zusätzliche Reiseperson zu. Sie hinterließ im Namen von uns Dreien eine weiße Rose und eine kleine Texasflagge als Zeichen, dass sie für immer in unseren Herzen bleibt.
Anschließend ging die Fahrt zurück nach Sangerhausen, wo das gleiche Ritual für den im vergangenen Jahr verstorbenen Opa Peter wiederholt wurde.
Natürlich musste noch ein Besuch in der Ferienvilla sein!
Unser schnuckeliges kleines Waldhaus… Hier haben wir früher viel, viel Zeit mit Oma Bine und Opa Peter verbracht, gebaut und gebastelt, mit Freunden gefeiert und klein-Lina hat Ostereier in die Regenrohr-Abflüsse geworfen…
Drum wird Haus und Grund mal eben zum amerikanischen Hoheitsgebiet erklärt und die Flagge gehisst 🙂
Am Montagvormittag stand dann ein Notartermin an, um einige Erbangelegenheiten zu klären. Danach folgte ein kleiner Stadtbummel durch Sangerhausen mit Bratwurst essen (natürlich um Celina und Matthias neidisch zu machen). Wenn man Jahre nicht in seiner ehemaligen Heimatstadt war fallen einem viele Veränderungen auf. Vieles ist inzwischen saniert und die Stadt kommt einem viel freundlicher vor, allerdings ist auch nach wie vor eine gewisse Perspektivlosigkeit in einer Gegend ohne nennenswerte Industrie oder Arbeitsmöglichkeiten nicht abzustreiten.
Und nun ging es zum komplizierten Teil … die eingelagerten Sachen sichten, sortieren und ausmisten.
Wo fängt man an??? Da waren noch so viele Kisten, Taschen, Koffer… auf dem Dachboden, in der Garage, im Keller… und natürlich alles schön wild durcheinander. Klar, die letzten Tage damals in Deutschland waren für Matthias ja auch chaotisch und alles musste einfach nur schnell raus aus dem Haus.
Und dann fängt man an mit der ersten Kiste, findet dies und das, wovon man sich eigentlich nicht wirklich trennen möchte: hier bestimmte Dinge von Celina, die sie gewiss gern behalten würde…, dort einige Erinnerungsstücke aus Andrea Kindheit (jaaa, der Hut und der Revolver)…, von Matthias vermisste Schuhe und Jacken… Socken… Bücher (wir hatten Unmengen an Büchern)… Kassetten (hmmm, die kann man ja heutzutage nicht mal mehr abspielen)…, „Gemälde“ und „Tagebücher“ aus Celinas Kindergarten- und Grundschulzeiten… und natürlich Fotos über Fotos…
Am Dienstag dachte Andrea noch „Naja, noch ein, zwei Tage, und dann solltest du alles durchhaben.“ Hm… da lag sie wohl etwas daneben. Aber egal, Zeit für einen kurzen Einkaufsbummel, um ein paar Dinge zum Mitnehmen zu besorgen muss sein! Und natürlich ein Stopp beim Döner-Mann! Das konnte und durfte sie sich nicht verkneifen, schließlich warteten „daheim“ ja die Family und Kollegen auf Fotos und Berichte über deutsches Essen. Also sendete sie pünktlich zum Online-Teammeeting den Kollegen Fotos von Kuchen, Wurst und natürlich vom Döner. (das mag jetzt für den ein oder anderen Leser etwas schräg klingen, aber die Kollegen im Team Germany haben fast alle einen „German Background“)
Mittwoch… und weiter sortieren, sortieren, sortieren, ausmisten, bei Seite legen, überlegen, noch was „tolles“ finden, hier etwas das Matthias sicher gern behalten würde, da etwas von Celina, ach guck: das würde ICH ja gerne „behalten“… Es ist unheimlich schwer Prioritäten zu setzen. Was für den einen unwichtiger Kram ist, ist dem anderen möglicherweise echt wichtig. Und sei es nur ein Schmuckstück wie ein Ring oder eine Kette… T-Shirts von Celina, die bewusst damals nicht schon entsorgt wurden, weil es Erinnerungsstücke an ehemalige Freunde sind…, Fotos und Fotoalben, die Andrea immer „heilig“ waren…, CDs, Firmenunterlagen, Rechnungen noch vom Hausumbau (die man ja viele Jahre aufheben muss) …
Am späteren Nachmittag aber kommt eine ehemalige Klassenkameradin zu Besuch. Das ist eine gelungene Abwechslung. Man hatte sich ja seit 1989 nicht mehr gesehen. Danach kommt noch ein Besucher: der Jensi aus Delitzsch. Der Verrückte fährt extra nach der Frühschicht noch 1,5 Stunden nach Sangerhausen, um Andrea zu sehen und dann nachtsum 23:30 Uhr wieder 1,5 Stunden zurück zu fahren und anschließend ziemlich nahtlos um 3:00 Uhr wieder zur nächsten Frühschicht anzutreten. Schön! Wir suchen dann die einzige Gaststätte, die abends in Sangerhausen noch offen hat und verbringen mit der Oma Bine einen schönen Abend.
Donnerstag und Freitag… Was soll man hier schreiben? Same procedure as… Dachboden, Garage, Keller, Garage, Dachboden… und irgendwie wird alles nicht weniger. Letztendlich entsorgen wir einen Haufen Zeug. Bücher und speziell Kinderbücher werden in einer Jugendeinrichtung gespendet, die sich über jede Kleinigkeit freuen (uhhh und die Kids waren so happy und dankbar). Restliches Geschirr geht zur Diakonie, einige letzte Sachen in die Kleiderkammer, Celinas alte Schulsachen wandern in die Papiertonne (weil, hier braucht sie das deutsche Schulzeug eh nicht mehr) …vieles geht in den Müll und einiges wird in Koffer und Taschen verpackt, um es an Schwager & Schwägerin „zu vererben“. Trotzdem sind noch Unmengen „übrig“ und Andrea kann nur zwei Koffer mitnehmen.
… und schon ist Samstag. Den letzten Tag genießt Andrea mit der Mutti noch einen ausgedehnten Spaziergang um den Kunstteich mit anschließend Kaffee und Kuchen im Kunstteich-Café und dann geht es noch auf zu einem Klassentreffen. 30 Jahre nach dem Abitur finden sich ein Teil der Berufsausbildungs-Klasse zusammen auf einen netten Abend. Mädels, es war schön Euch zu treffen. (…auch wenn ich anfangs zwei nicht wiedererkannt hab 🙂 )
So schnell verging die Woche, und es war leider viel zu wenig Zeit! Zu wenig Zeit um alles „auszumisten“… zu wenig Zeit mit der Mutti… keine Zeit für Familie, Freunde und Bekannte… (OK, es sollte ja auch keiner groß wissen, dass Andrea in Germany ist… war ja schließlich kein Erholungsurlaub)
Mit dem Zug geht es zurück nach Frankfurt. Auf dem Bahnhof in Kassel reicht die Zeit gerade so für einen kurzen Cappuccino-Treff mit einem guten alten Freund… „romantisch“ auf dem Bahnsteig, wartend auf den natürlich verspäteten überfüllten ICE zum Flughafen, aber super nett nach über 20 Jahren.
Sonntag endet die Nacht um 5:30 Uhr. Mit dem Taxi geht’s vom Hotel zum Flughafen um sich mit zwei schweren Koffern und dem Rucksack mit Opa Peters kompletter Fotoausrüstung zum Checkin zu schleppen, wo Andrea tatsächlich gefragt wurde warum sie nur ein Hinflug-Ticket nach Austin hat und kein Rückflug-Ticket… Aber ok. Noch fix durch die Security (und jaaa, das ganze Fotozeug auspacken), dann noch ein kleines Frühstückchen, und dann ab nach Hause! Der Flieger fliegt mit einer Stunde Verspätung los, und 11 Stunden später erwartet Andrea die Family in ATX. Endlich wieder „daheim“!
Es war eine kurze, harte Woche und Andrea möchte immer noch nicht wieder nach Deutschland zurück. Aber es war trotzdem irgendwie eine schöne Zeit. Danke, Mutti! Ich habe dich lieb!
Und was haben Celina und Matthias in der Zeit getan?
Die beiden hatten volles Programm! Da stand zunächst ein Fotoshooting anlässlich des Oktoberfestes bei der German Heritage Society in Austin auf dem Programm.
Weiterhin mussten neben der Schule bzw. Arbeit ein Termin für Celina beim Kieferchirurgen wahrgenommen, Fotohausaufgaben für die nächsten Wochenendkurse gemacht und natürlich an den Fotografie-Sontags-Kursen teilgenommen werden.
Außerdem stand ein besonderer Workshop zum Thema Dia de los Muertos Fotos für Celina auf dem Plan. Ja, für all diese Sachen ist eben das Papa-Taxi notwendig.
Die Beiden machen weiterhin einen Ausflug zur Animal Zoo & Snake Farm (selbstverständlich mit Zwischenstopp bei Buc-ee’s).
Am Schönsten aber war es dann, als wir alle Drei nach der langen Zeit wieder vereint waren.