Nachdem Andrea ihren Job gekündigt hatte stand im September die alleinige Reise über den großen Teich in das noch relativ unbekannte Austin an. Celina und Matthias würden unterdessen ihren Tätigkeiten in Deutschland nachgehen und weiter an der Auflösung des Hausstandes arbeiten.
Also fuhren am 3. September 2019 zum Bahnhof nach Erfurt und entließen die geliebte Ehefrau und Mutter in ein Abenteuer mit offenem Ausgang und der Hoffnung, dass alles gut gehen würde..
Andrea in Texas
Es ist der 3. September 2019, ca. 14.30 Uhr local time – mein Lufthansa-Flieger landet in Austin TX.
Jetzt stehe ich also ganz alleine hier mit meinem Koffer, nem Laptop und gemischten Gefühlen und habe ca. 4 Wochen Zeit, um alles für „den großen Schritt“ vorzubereiten. Ganz wohl ist mir nicht, aber tapfer hole ich mein Mietauto ab und begebe mich – zunächst mit etwas Panik – auf die (je Fahrtrichtung) 4spurige Interstate, um zu meiner Behausung zu fahren. Ich habe ein Ferienappartement in einem Haus in einer ruhigen Wohnsiedlung gemietet und Tom und Lita, die Eigentümer, freuen sich über ihren ersten Gast seit der Renovierung. Die beiden werden mir in den kommenden Wochen noch öfters hilfreich zur Seite stehen und sich liebevoll um mich kümmern. So auch gleich am zweiten Tag, als mein Auto einen platten Reifen hat. Na prima, das fängt ja super an. Also auf zur Mietwagen-Station. Tjaaaa, aktuell haben wir leider kein Ersatzfahrzeug, aber fahrt doch mal zur anderen Station. Gesagt, getan: und siehe da, ich bekomme einen coolen Ami-Van! Toll! My House, my car, my Palm trees! Läuft!!!
Und jetzt kommen wir zum komplizierten Teil:
Zuerst Bankkonto eröffnen – weil ohne Bank-Account kein Apartement- aber ohne Wohnung auch kein Bankkonto! Da es aber hier Menschen gibt, die du nur flüchtig über das Internet kennst, die aber mal eben zu einer Fremden sagen: „Aaach, komm erstmal rüber und dann kannst ja erstmal für alles meine Adresse angeben“ lies sich der Punkt recht einfach erledigen.
Wir hatten uns im Sommerurlaub eigentlich auch schon eine Schule für Celina ausgesucht, und da man hier im Schul-Umkreis wohnen sollte muss nun eine Wohnung her. Kann ja nicht so schwer werden! Also eine Maklerin gesucht, erste Termine gemacht… und etwas ernüchtert über die Mietpreise und die Zustände der Wohnungen zurück ins Ferienhaus. Lita hat dann zum Trösten Kuchen mitgebracht und abends mit mir den neuen BBQ-Grill eingeweiht. Dann das für mich allabendliche Telefonat mit den Daheim-Gebliebenen (die ja gerade aufgestanden waren)
Nächster Tag, nächster Versuch… aber die Wohnungsangebote im Schuleinzugsgebiet zu unseren preislichen Vorstellungen… neee das passt nicht wirklich. Das Spiel spiele ich nun die ganze erste Woche und meine Motivation sinkt, und sinkt, und sinkt…
Dank eines gewissen Social Media Portals habe ich aber eine junge Dame aus der alten Heimat kennengelernt, und wir treffen uns auf einen Kaffee. Dieses Treffen soll nun wieder alles ändern! Die beiden etwas besser betuchten Damen die ich danach kennen lerne – inzwischen gute Freunde – sind völlig entgeistert und klären mich dahingehend auf, mein Kind doch in eine „gut bewertete Highschool“ zu schicken… Und um Gottes Willen bloß nicht in der East Side!!! Das wirft nun die ganze „Planung“ über den Haufen… Wir hatten uns das alles sooo gut vorgeplant, und jetzt? International Highschool, nettes Appartement in der Schulnähe… Das soll alles falsch sein??? (Nächste Zweifel kommen auf, aber lass das bloß keinen wissen!) Aber ok, ihr wohnt ja aber schon lange hier und werdet vermutlich besser wissen wie es hier läuft als ich Newbie (ein Wort für Neuling, das ich bald des Öftern hören werde)
Also sehe ich mir die beiden besten Schulen in Austin an, und dementsprechend auch das Umfeld und… ich verliebe mich in den Südwesten unserer kleinen Millionenstadt! Grün, grün, grün… hügelige Landschaft, Flussläufe, Oak-Trees (die aussehen wie Oliverbäume), wie in Spanien! Jaaa, hier will ich wohnen (und die beiden anderen werden nicht gefragt… Sind ja auch nicht hier… und das wird denen schon gefallen)!
Was die Schule betrifft ist bald die S.F. Austin Highschool in Downtown meinerseits für gut befunden und nach relativ kurzem Suchen habe ich auch eine bezahlbare Appartementanlage mit Pool auserkoren unser erster Wohnsitz in Austin zu werden.
So, damit wäre das Wichtigste geklärt. Per Money order (was ist ein Money order???) die Kaution bezahlen und Mietvertrag noch fix online unterzeichnen… naja für uns noch etwas fremd, aber ok! An „alles online“ werden wir uns hier gewöhnen müssen.
Jetzt habe ich die letzte Woche quasi Urlaub!
Meine neuen Bekanntschaften lassen mich schnell hier heimisch werden. Ein Kaffeekränzchen bei den „Deutschen Mädels“ in Round Rock, das Pecan Street Festival, Fledermäuse gucken auf der Congress Bridge, eine Sonntagstour nach Fredericksburg mit Classic Car Treffen in Johnson City und natürlich der Sightseeing-Ausflug zum Mont Bonell und meiner neuen Lieblings-Location „Oasis“ am Lake Travis sollen hier nicht unerwähnt bleiben. Jaaaa, hier kann man es aushalten!
Die 4 Wochen sind nun doch schnell vorbei gegangen! Jetzt noch fix ein paar Westernstiefel und ein „Everything is bigger in Texas“-Shirt kaufen und dann nochmal kurz zurück nach Germany, um noch ein paar „Kleinigkeiten“ zu erledigen und dann mit Kind und Kegel einen neuen, aufregenden Lebensabschnitt zu beginnen…
Ankunft in Frankfurt, Germany, boah ist das kalt, dreckig und alles so übersichtlich hier.
Ab in den Zug nach Erfurt, wo mein Taxi mit den zwei Vernachlässigten nach Weida wartet
…aber mit dem Wissen im Hinterkopf, dass es nur kurz sein wird und dann geht es wieder „Home to Texas“.
Celina und Matthias in Deutschland
Da standen sie nun, die zwei Zurückgelassenen. Wer würde uns nun mit Nahrung versorgen? Wie überstehen wir die Wochen ohne mütterlich beduddelt zu werden? Besonders wichtig war die Teilnahme am Elternabend Mitte September, bei denen Themen wie die Organisation der Abschlussfeier (an der Celina eh nicht teilnehmen würde) und die Berufswahl nach der Schule (was uns aus gegebenem Anlass absolut nicht interessierte) auf der Agenda standen.
Nun also mal ein paar Wochen Vater-Tochter-Alltag testen. Was das Thema Essen betrifft, waren wir den lokalen Lieferdiensten sehr dankbar, dass es sie gab. Ansonsten gestaltete sich der Alltag doch relativ unkompliziert, was den generellen Tagesablauf betraf. Nach der Arbeit bzw. der Schule stellten wir noch einige Arbeiten am Haus fertig und fingen an Sachen hinsichtlich ihrer Wichtigkeit für die neue Heimat zu sortieren. Nebenbei lief der Verkauf unseres Hausstandes und selbstverständlich war das Telefonat mit unserer temporär Ausgewanderten das täglich ersehnte Highlight.
Trotz des straffen Zeitplans, den wir uns selbst gegeben haben, nahmen wir uns an den Wochenenden die Zeit für einige Ausflüge. Dieser Ausgleich für den Wochenalltag und die fehlende Mutti waren wichtig und notwendig um die Zeit zu überleben! Und, auch wenn es unglaublich klingt, aber wir haben es geschafft ohne Streitereien diese Situation durchzustehen.
Und dann kam der Tag der Rückreise von Andrea. Wir fuhren bereits 2 Stunden vor ihrer Ankunft am Erfurter Hauptbahnhof nach Erfurt und konnten die Ankunft kaum erwarten. Celina hat extra ein Willkommensschid gebastet und nun warteten wir am Bahnsteig. Der Zug rollte ein und wir suchten und suchten. Und da war sie wieder bei uns … in einem orangen Longhorn-T-Shirt und Westernstiefeln mit einem Texas-Winkelement in der Hand.
Die nächste Reise in die USA wird wieder gemeinsam realisiert und stand bereits für den 3. November 2019 fest. Dann wird der große Schritt vollzogen!